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       Prof.
            Dr.Dr. h.c. mult.
      Maria Iliescu 
      FEIERLICHE
    AUSZEICHNUNG für
    wissenschaftliche und kulturelle Verdienste  
      in der
        Botschaft von Rumänien,  
        am 4. November 2009,
      um 18:30 Uhr  
    GRUßWORTE: 
          
    S.E.
          Dr. Lazar Comanescu, der Botschafter von Rumänien in der Bundesrepublik
          Deutschland  
    Sehr
          geehrte Damen und Herren, 
        Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Iliescu, 
        Sehr geehrte Frau Dr. Scherf, 
        Sehr geehrte Frau Dr. Huberty, 
        Sehr geehrte Vertreter der Humboldt-Universität, der Deutsch Rumänischen
          Gesellschaft und des Deutsch- Rumänischen Forums,     Ich begrüße
        Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Veranstaltung. 
      Wir haben uns hier aus einem freudigen und feierlichen Anlass zusammengefunden. 
      Frau Prof. Dr. Maria Iliescu erhält am heutigen Tage eine Auszeichnung,
      die der Präsident von Rumänien an besondere Persönlichkeiten
      für ihre herausragenden Leistungen verleiht. 
      Zunächst möchte ich Sie, meine Damen und Herren, mit einigen
      Aspekte der Vita unseres Ehrengastes vertraut machen. 
      Frau Professor Iliescu ist derzeit Professorin am Institut für Romanistik
      der Leopold-Franzens Universität Innsbruck – und seit 2007 Präsidentin
      der Societe Internationale de Linguistique et Filologie Romane- es ist
      dies die höchstmöglichste Position, die man in der Erforschung
      der Romanischen Sprachen , zu denen auch die rumänische Sprache gehört,
      erreichen kann. 
      Frau Prof. Dr. Iliescu hat ihr ganzes Leben der Wissenschaft und Forschung
      gewidmet und einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung der rumänische
      Sprache und zur Entwicklung der rumänischen Linguistik geleistet. 
      Sie ist Sprachforscherin von hohem internationalen Ansehen. 
      Frau Prof. Iliescu wird heute Abend einen Vortrag halten. Das Thema ist
      sprachlicher Natur und lautet: „ Rumänisch - eine romanische
      Sprache.“ 
      Dazu möchte ich anmerken: Rumänien ist bekanntermaßen Mitglied
      der EU- und bringt seine große und reichhaltige Kultur- in unsere
      Gemeinschaft ein. 
      Und trägt, wie wir hoffen, zu einer weiteren kulturellen Bereicherung
      unserer Staatgemeinschaft bei. 
      Wir sind sehr stolz, Sie, Frau Prof. Iliescu, hier , heute, bei uns zu
      sehen- und erwarten ihren Vortrag voller Spannung. 
      Ich möchte nun bei den beiden Künstlern, Frau Condriuc und Herrn
      Schmidt bedanken , die die musikalische Umrahmung für uns gestalten. 
      Zum Abschluss des Abends lade ich Sie herzlich zu einem Sektempfang ein. 
      Darf ich Sie nun Frau Prof. Iliescu, zur Überreichung des Ordens nach
      vorne      bitten? 
    EINFÜHRUNG: 
      
     Dr.
          Ioana Scherf unterrichtet Rumänisch an der Humboldt-Universität
        zu Berlin und ist Leiterin der Rumänischen Schule Berlin - Brandenburg 
     
    Sehr verehrter Herr Botschafter Comanescu, 
      sehr verehrte Frau Professor Maria Iliescu,  
      liebe Kollegen, liebe Studenten, liebe Künstler,  
      sehr verehrte Gäste,  
      liebe Freunde der Rumänischen Schule Berlin-Brandenburg! 
    Wieso
        habe ich das Privileg heute vor Ihnen zu sprechen? Spreche ich, als Leiterin
        der R.S.BB oder spreche ich (und das ist wieder ein Privileg)
      als Lektorin für Rumänisch am Institut für Romanistik der
      Humboldt Univ. zu Berlin? 
      Nein sehr geehrte Damen und Herren keiner dieser Gründe trifft zu.  
      Ich glaube, ich stehe heute vor Ihnen als einer von vielen Menschen, mit
      Wurzeln in Rumänien und Flügeln (lese auch Kopf) In Deutschland,
      d.h. als einfacher und dankbarer Mensch. 
      Ich habe sehr oft gesagt: unser Leben ist ein großer Bahnhof; Menschen
      kommen und gehen. Ein Treffpunkt eben! Schicksale kreuzen sich, berühren
      sich oder sie bleiben parallel.  
      An einige Menschen erinnern wir uns überhaupt nicht mehr! Wir gehen
      gleichgültig aneinander vorbei, nicht mal an ihre Namen erinnern wir
      uns oder daran wie sie aussehen.  
      Andere Menschen wiederum lassen tiefe Spuren in unserer Seele, in unseren
      Herzen und in unserem Geist.  
      Aber wie zahlreich sind diese? Wir können Sie an den Fingern einer
      Hand abzählen: 2, 3, 5, wie ist es bei Ihnen? 
      Aber ich bin mir sicher und es gibt keinen Zweifel, ich bin ein glücklicher
      Mensch. Ja, auf meinem Lebensweg habe ich wunderbare Menschen getroffen.
      Ich schulde Ihnen, was ich heute bin. Was wäre ich ohne Sie geworden?  
      Einer dieser Menschen, die mein Leben zutiefst geprägt haben, ist
      zweifelsohne Frau Prof. Dr. Maria Iliescu. 
      Natürlich kannte ich die Bücher von Frau Professor Iliescu. Persönlich
      habe ich sie aber erst in Innsbruck, im Jahre 1992 kennengelernt. Ich hatte
      ein dreimonatiges Stipendium von der Universität Salzburg bekommen.
      Viele Sachen waren neu für mich. Z.B. man bewirbt sich, man hat keine
      Beziehungen, und man wird, ganz einfach so, trotzdem genommen.  
      Sie hat mir viel Vertrauen entgegengebracht und das hat mein Selbstbewusstsein
      gestärkt. Sie fragte mich: bleibst du den ganzen Tag in der Bibliothek?
      Schön! Hast du aber die Stadt schon besucht? Da machte ich plötzlich
      die Augen auf….. Nein ich hatte keine Augen für das Leben. 
      Ich habe diese Begegnung als Ansporn betrachtet und als Aufruf zum Handeln…. 
      Ich liebte und ich bewunderte gleich Ihre unkomplizierte und direkte Art,
      den Mut jederzeit das zu sagen, was man denkt. Wären wir nicht ohne
      solche Vorbilder ärmer? Wir brauchen Wertevermittler und Richtungsweiser
      in unserem Leben. Was können sonst unsere Kinder von uns lernen? 
      Deswegen bin ich glücklich. Und glücklich bin ich heute auch,
      dass ein herrliches Publikum vor mir steht. Ihr Interesse an dieser Veranstaltung,
      sehr geehrte Damen und Herren, ist der schönste Beweis, dass Rumänien
      es Wert ist, geliebt und geschätzt zu werden. 
      Wir vermitteln die rumänische Kultur und die rumänischen Werte
      hier in Deutschland. Das macht jeder von uns in jedem Augenblick, wenn
      wir untereinander und miteinander kommunizieren, stellen wir uns nicht
      nur selbst dar, sondern wir vermitteln gleichzeitig die rumänische
      Kultur und die Werte unseres Volkes.  
      Mein Einsatz für die rumänische Sprache kommt aus folgender Überzeugung: 
      Es lohnt sich dieses schöne Land zu erleben (mit allen Sinnen), es
      lohnt sich seinen Menschen zu begegnen, seiner Kultur, seine Naturschönheiten
      zu ergründen, es lohnt sich diese Sprache zu lernen.  
      Ich bin dankbar, dass sie hinter mir gestanden haben und ich fühle
      mich geehrt unsere bescheidene Arbeit – die Vermittlung der rumänischen
      Sprache hier in Berlin - fortsetzen zu dürfen. 
    LAUDATIO: 
      
    Dr.
            Maren Huberty, lehrt seit 1983 französische, rumänische und
          italienische Sprachwissenschaft am Institut für Romanistik der Humboldt
      Universität zu Berlin.  
    Laudatio 
     Es
        ist mir eine besondere Ehre, Ihnen hier eine der ganz großen Persönlichkeiten
        der Romanistik vorstellen zu dürfen, und zwar eine der Grandes Dames
        der allgemeinen und romanischen Sprachwissenschaft: Frau Prof. Dr. Dr.
        h.c. mult. Maria Iliescu. Wenn man im digitalen Zeitalter den Begriff Grande
        Dame googelt, dann lehrt uns wikipedia, dass so „im kulturellen Leben
        der Gesellschaft eine ältere Künstlerin genannt wird, die vermöge
        ihrer Lebensleistung, ihres Erfahrungsschatzes und ihrer inspirierenden
        Dynamik eine eigene Institution und ein unverwechselbarer Charakter geworden
        ist. Die Grande Dame hat es auf einem bestimmten, abgrenzbaren Gebiet zu
        erheblicher Prominenz gebracht und Generationen geprägt.“ Künstlerinnen
        dieses Formats gibt es sicherlich nicht wenige, aber in der nach wie vor
        männlich dominierten Wissenschaftslandschaft sind Frauen noch eher
        eine Ausnahmeerscheinung. Und eben eine solche ist Maria Iliescu, die im
        vergangenen Jahr als erste Frau zur Präsidentin der renommierten Société Internationale
        de Linguistique et Philologie Romane gewählt wurde. Das ist die internationale
        Vereinigung innerhalb der romanistischen Linguistik, die die wichtigste
        romanistische Zeitschrift herausgibt und im Dreijahresrhythmus den Weltkongress
        veranstaltet. Den letzten Weltkongress hatte Maria Iliescu vor zwei Jahren,
        damals noch Vizepräsidentin, nach Innsbruck geholt und mit organisiert.
        Sie ist also prominent. 
        Als „eine Ausnahmeerscheinung in unserer im allgemeinen ziemlich
        nivellierten west- und mitteleuropäischen Wissenschaftslandschaft“ wird
        sie auch von Johannes Kramer in seinem Beitrag „Maria Iliescu – Porträt
        einer Romanistin“ (in: Kramer/Plangg [Hg.], Verbum romanicum: Festschrift
        für Maria Iliescu, Hamburg 1993, S. 11-18) beschrieben: „Sie
        ist für mehrere Gebiete die ausgewiesene Kennerin, aber eine Spezialistin
        im schlechten Sinne des Wortes ist sie nicht, denn sie versucht im Gegensatz
        zur tonangebenden Tendenz, die ganze Romania in den Blick zu nehmen und
        darüber hinaus das nicht zu vernachlässigen, was man aus anderen
        Fächern lernen kann.“ (S. 17). Das spiegelt sich wider in den über
        400 Publikationen zu den romanischen Sprachen Mittel-, Süd- und Osteuropas:
        Französisch, Italienisch, Ladinisch, Friaulisch und Rumänisch.
        Die Publikationen beeindrucken sowohl durch die Vielseitigkeit der behandelten
        Themen als auch durch ihre Methodenpluralität. Viele ihrer Arbeiten
        gehören mittlerweile zum Kernkanon der romanischen Sprachwissenschaften,
        was nicht zuletzt auch deren Aufnahme in verschiedene Enzyklopädien
        beweist. „Was die Veröffentlichungen anbelangt“, so schreibt
        Maria Iliescu in ihrem autobiographischen Aufsatz „Labor omnia uincit
        improbus“ (in: Gauger/Pöckl [Hg.], Wege in die Sprachwissenschaft,
        Tübingen 1991, S. 118-123) und das sollte unbedingt hervorgehoben
        werden, „so glaube ich ebenfalls von Prinzipien meines einstigen
        Lehrers Alexandru Graur, wenigstens teilweise geprägt zu sein. So
        habe ich es nie über mich gebracht, denselben Aufsatz, wenn auch in
        einer anderen Sprache, nochmals zu publizieren.“ (S. 122) Sie fügt
        allerdings in Klammern hinzu, dass dieses Prinzip heute vielleicht nicht
        mehr richtig sei, denn niemand könne es sich zeitlich leisten, sich
        ausgefallene Zeitschriften zu verschaffen oder Texte in schwer verständlichen
        Sprachen zu lesen. Daher ist es erfreulich, dass in den letzten zwei Jahren
        drei Sammelbände mit ihren Aufsätzen erschienen sind, denn wie
        Johannes Kramer in seinem Vorwort zur Aufsatzsammlung Pan- und Raetoromanica.
        Von Lissabon bis Bukarest, von Disentis bis Udine (Stuttgart 2007) schreibt,
        sollen auf diese Weise die teilweise „verstreut publizierten und
        in kaum einem Seminar für Romanistik komplett vorhandenen Beiträge
        Maria Iliescus zugänglich [gemacht werden].“ Der von der Academia
        Româna herausgegebene Band Româna din perspectiva romanica
        (2007) vereint wiederum viele ihrer in ausländischen Zeitschriften
        und in Rumänien nicht vorhandenen publizierten Beiträge zum Rumänischen.
        Zu den wichtigsten Monographien zählen Le frioulan à partir
        des dialectes parlés en Roumanie (1972), ihre im Verlag Mouton,
        Den Haag/Paris veröffentlichte Dissertation, wofür sie den Preis
        der Rumänischen Akademie der Wissenschaften erhielt, La typologie
        de la morphologie verbale romane (1991 gemeinsam mit Louis Mouron) Du latin
        aux langues romanes (1991 gemeinsam mit Dan Slusanski). 
        Für ihr Lebenswerk wurde sie 2005 mit dem „Tiroler Landespreis
        für Wissenschaft“ ausgezeichnet. Sie hat die Ehrendoktorwürde
        der Universitäten Bukarest, Timisoara und Innsbruck und ist Ehrenmitglied
        des Instituts für Linguistik der Rumänischen Akademie der Wissenschaften.
        Erst kürzlich wurde ihr die Ehrenmedaille der Universität Gent
        verliehen. 
        Aber die Lebensleistung bemisst sich nicht nur an der Quantität und
        der Qualität der Publikationen, nicht nur an der Zahl der Ehrungen,
        sondern eben auch am Engagement der Vermittlung dieses Erfahrungsschatzes,
        und zwar auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Nicht zuletzt
        das macht die Institution Maria Iliescu aus. Sie ist zum einen eine streitbare,
        unbequeme und durchsetzungsfähige Wissenschaftlerin, zum anderen aber
        zugleich eine dem Einzelnen in allen universitären und außeruniversitären
        Belangen zugewandte, immer freundliche, pragmatische und hilfsbereite Persönlichkeit. 
        Meine erste Bekanntschaft mit dem Namen Maria Iliescu geht auf dieses
        kleine Wörterbuch Rumänisch-Deutsch / Deutsch-Rumänisch (Leipzig
        1972) zurück. Das ist jetzt genau 30 Jahre her. Die DDR schickte in
        jener Zeit, aus Mangel an Studienplätzen, viele junge Leute in die
        damals sogenannten sozialistischen Bruderländer und ich bekam einen
        Studienplatz für Rumänistik und Französistik an der Universität
        Timisoara zugeteilt. Ich lernte also noch in der Abiturklasse Rumänisch
        und die erste Anschaffung war natürlich ein Wörterbuch. Während
        des Studiums und noch lange danach stand für mich der Name Iliescu
        für eine wissenschaftliche Autorität, die unerreichbar schien.
        Als wir uns dann nach vielen Jahren persönlich begegneten, vermittelte
        sie mir das Gefühl, uns schon ewig zu kennen.  
        Erklärlich ist diese gelungene Symbiose von Professionalität
        und Menschlichkeit vermutlich vor dem Hintergrund einer doppelten Prägung
        durch ungewöhnliche Lebensumstände und durch herausragende Persönlichkeiten.
        Hinzu kommt ein unbändiger Arbeitswillen. Nicht ohne Grund betitelt
        sie ihren autobiographischen Aufsatz mit „labor omnia uincit improbus“ (Unverdrossenes
        Arbeiten überwindet alles).  
        Als Harriett Marion Adlersberg wurde sie in Wien in einem großbürgerlichen, österreichischen
        Elternhaus geboren. Zwölfjährig zog sie mit ihrer Familie Ende
        der 30er Jahre nach Rumänien, wo sie in Bukarest ein französisches
        Nonneninternat besuchte. Von 1946-1950 studierte sie Klassische Philologie,
        Indogermanistik und allgemeine Sprachwissenschaft sowie auch moderne Fremdsprachen
        und mittelalterliche Geschichte. Geprägt wird sie in diesen Jahren
        vor allem durch ihren Lehrer Prof. Alexandru Graur.  
        An der Universität lernte sie auch ihren zukünftigen Mann Vladimir
        Iliescu kennen, der ihr, die ursprünglich ein Noviziat anstrebte,
        nicht nur „klar zu machen versuchte“, so schreibt sie, „dass
        es in einem sozialistischen Rumänien keinen Platz für religiöse
        Einrichtungen, insbesondere katholische geben werde, sondern auch, dass
        einem katholischen, aus großbürgerlichem Haus stammenden Mädchen,
        das noch dazu im Ausland geboren war, in diesem Land nichts Gutes blühe
        würde. Deshalb sollte ich schleunigst das Land verlassen, wofür
        sich damals eine gute Möglichkeit anbot. Vom Verlassen des Landes
        wollte ich aber nichts wissen! (le coeur a ses raisons que la raison ne
        connaît pas!) Ich blieb in Bukarest.“ (Gauger/Pöckl 1991,
        S. 118) Und das tat sie mit allen Konsequenzen.  
        Trotz dieser noch jungen, aber illustren Vergangenheit stellt Graur sie
        nach dem Staatsexamen als Assistentin ein. Allerdings wurde er 1952 von
        der Universität verbannt, ein Teil seiner 30 Mitarbeiter, darunter
        die Iliescus, „entlassen und als Volksschullehrer in gottverlassene
        Dörfer geschickt“. (Gauger/Pöckl 1991, S. 119) Eine neue
        Chance erhielt Maria Iliescu mit der Gründung der „Akademie
        der Wissenschaften“, an der sie bis 1972 eine leitende Mitarbeiterstelle
        am Institut für Linguistik innehatte. Dort war sie an der Erarbeitung
        der ersten großen Grammatik der rumänischen Sprache beteiligt
        und erhielt für deren Syntax-Teil 1955 den Staatspreis 2. Klasse.
        Und sie war gleichzeitig für den Aufbau einer Abteilung für zweisprachige
        Wörterbücher verantwortlich. Unter ihrer Leitung entstand dort
        z. B. das große Wörterbuch Deutsch-Rumänisch, deren dritte überarbeitete
        Auflage 2007 erschien. 1958 übernahm dann Prof. Iorgu Iordan (der
        1952 ebenfalls zu den „personae non gratae“ gehört hatte)
        die Leitung des „Institutul de lingvistica“ und „eine
        seiner fruchtbarsten Ideen“, so Kramer, „war die Erstellung
        einer umfangreichen, sprachwissenschaftlich kommentierten Sammlung von
        Texten aus allen romanischen Sprachen vom Vulgärlateinischen bis zur
        Gegenwart, [die 3-bändige Crestomatie romanica], ... die bis heute
        umfangreichste und beste Sammlung dieser Art“. (Kramer/Plangg 1993,
        S. 13) 
        Maria Iliescu wurde als klassische Philologin mit der Bearbeitung des
        Abschnittes über
        das Vulgärlateinische und als deutsche Muttersprachlerin mit der Erstellung
        der Textauswahl zur „limba retoromana“ betraut. Die Erforschung
        der Sprachformen der über Rumänien verstreuten Friulaner führte
        zur Erarbeitung ihrer bereits erwähnten Dissertation. Allerdings nicht
        ohne Hindernisse. Mehrmals wurden ihre Anträge auf eine Promotion
        aus politischen Gründen abgelehnt, so dass sie erst 1967 das endlich
        genehmigte Promotionsverfahren abschließen konnte.  
        Nach politischem Tauziehen und einer vorübergehenden Öffnung
        des Landes erhielt Maria Iliescu 1972 eine ordentliche Professur für
        Romanische und Allgemeine Sprachwissenschaft an der neuen Universität
        von Craiova, wo sie mit unglaublichem Pioniergeist die Sprachwissenschaft
        aufbaute. Hier entstanden ihre Lehrwerke: Latina vulgara. Introducere în
        studiul limbilor romanice I (1980), Limbile romanice. Introducere in studiul
        limbilor romanice II (1981), Vocabularul minimal al limbii române
        curente (Bucuresti 1981). 
        Doch die ersten Ansätze einer erhofften Liberalisierung unter Ceausescu
        fielen einer erneuten, mit aller Macht einsetzenden innenpolitischen Eiszeit
        zum Opfer. Ihre moralische und politische Kompromisslosigkeit ließ jedoch
        keine Zusammenarbeit mit der securitate zu, „nu am nici un merit“, „ich
        hätte damit nicht leben können“ wird sie, von Freunden
        darauf angesprochen, später sagen, und die Konsequenz sind zunehmende
        Repressalien und allmähliche Ausgrenzung, vor allem ihres Mannes,
        aus dem beruflichen Leben. Schließlich wird die 1981 beantragte Ausreise
        nach zweijährigem Martyrium genehmigt und wieder gab es einen Neuanfang. „Die
        Wunden zu lecken ist jedoch Maria Iliescus Sache nicht“, schreibt
        Kramer, „Zufällig fiel das Datum der Ausreise mit dem Beginn
        des Romanistentages in Aix-en-Provence zusammen und so fuhr sie gleich
        weiter nach Südfrankreich, um die ersten Tage der neuen Freiheit der
        geliebten Wissenschaft und dem lange vermissten Kontakt zu den Kollegen
        zu widmen, von denen sie viele ja nur brieflich kannte.“ (Kramer/Plangg
        1993, S. 16) 
        Seit 1983 lehrt und forscht Maria Iliescu in Innsbruck, zunächst als
        Gastprofessorin, dann als Vertragsprofessorin und seit 1994 als Honorarprofessorin.
        Parallel dazu ist sie von 1988-1997 „Professore associato di Lingua
        e Letteratura Romena“ an der Universität von Trient und seit
        1990 „Profesor consultant“ an der Philologischen Fakultät
        der Universität Craiova. In der Geschichte des Instituts für
        Romanistik der Universität Innsbruck heißt es: „Durch
        die Anwesenheit von Prof. Iliescu entspannte sich die Situation in der
        sprachwissenschaftlichen Lehre wesentlich, denn nun waren die Studienrichtungen
        Französisch und Italienisch in gleicher Weise abgedeckt.“ (www.uibk.ac.at/romanistik/)
        Sie organisiert Tagungen und Kolloquien und initiiert für die Innsbrucker
        das europäische Austauschprogramm ERASMUS.  
        Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war ihr immer ein
        wichtiges Anliegen. So wie sie von ihrem Lehrer Alexandru Graur schwärmt: „Seine
        Vorlesungen, die er immer frei vortrug, waren so klar, dass wir das Gefühl
        hatten, die Materie sogleich zu beherrschen“ (Gauger/Pöckl 1991,
        S. 119), genauso ist Maria Iliescu ihren Studenten in Erinnerung: die Begeisterung
        für die Sprachwissenschaft sprang immer über. Und das nicht nur
        in den Vorlesungen und Seminaren, auch im Institutscafé in Innsbruck
        sorgte sie mit kleinen Geschichten und Anekdoten, nicht nur zur Sprachwissenschaft,
        für Unterhaltung. Und wenn aus dem kleinen Kämmerlein der rätoromanischen
        Bibliothek mal ein Jauchzen herüberschallte, dann spielte sie mit
        ihrer langjährigen Kollegin und Freundin, der 2008 verunglückten
        Lotte Zörner, über zusammen geschobene Bibliothekstische hinweg
        eine Runde Tischtennis, solange, bis die Bälle hinter den Büchern
        verschwanden. Ja, auch das ist die Institution Maria Iliescu. 
        Um nochmals auf das Wörterbuch zurückzukommen, so haben Sie selbst,
        liebe Frau Iliescu, am Ende Ihrer Rezension zum Wörterbuch von Tiktin,
        das unter Leitung von Paul Miron neu herausgegeben wurde, geschrieben: „l’élaboration
        d’un grand dictionnaire roumain-allemand moderne reste encore un
        souhait dont la réalisation ne sera possible que par un travail
        d’équipe comme celle de Paul Miron et grâce à une
        subvention généreuse, qui, espérons-le, ne se fera
        pas attendre trop longtemps.“ (Revue de Linguistique Romane 54 (1990,
        S. 560) Das war vor 20 Jahren und wir warten immer noch. Da Romanisten
        in der Regel mit einem biblischen Alter gesegnet sind - Menéndez
        Pidal ist fast 100 Jahre alt geworden und Ihr verehrter Förderer Iorgu
        Iordan 98 - können wir vielleicht auf Ihre Unterstützung für
        ein solches Projekt hoffen.     Maren Huberty 
     
          VORTRAG 
      
    Prof.
        Dr.Dr. h.c. mult. Maria Iliescu, Präsidentin der Société de
        Linguistique Romane      Vortrag zum Thema 
    „Rumänisch
      : Eine romanische Sprache“ 
     
        1.0.	Obwohl das Rumänische eine der wenigen romanischen Sprachen ist,
        die den Namen ihrer Abstammung erhalten hat, wurde seine Romanität
      sehr spät
      erkannt. Der Grund ist die Lage Rumäniens auf der europäischen
      Landkarte.  
     Dies
      zog drei Folgen mit sich :  
     erstens
        den Verlust des Kontaktes mit anderen romanischen Sprachen während
    desMittelalters  
    zweitens den Verlust des Kontaktes mit dem Latein in seinen verschiedenen
    nochvorhandenen Varianten,  
    drittens den Kontakt mit den Nachbarsprachen, die alle nicht romanisch sind.      Dem
        Westen war das Rumänische unbekannt. Trotz alledem, haben fremde Reisende
        und Rumänische
        Gelehrte ab dem XVI. Jh. erkannt, dass es sich um einen Ableger des Lateinischen
      handelt. 
       
      Schon zu Beginn des XV. Jh. stellt Bischof Johann von Sultanyech, ein unermüdlicher
      Kämpfer gegen die Ottomanen fest, indem er sich auf die Bewohner der
      Walachei und der 
  Moldau bezieht: 
      ipsi habent linguam propriam et quasi latinam, ut fertur , ipsi exiverunt de
    Romanis. 
    „ 
    Bei den näheren Sarmaten, gibt es, wie man sagt, eine von Trajan zurückgelassene
    Kolonie. 
    Diese, obwohl von einer großen Barbarei umgeben, hat noch zahlreiche
    lateinische Wörter 
    aus Italien bewahrt, woher diese Wörter stammen. Sie verwenden die Wörter
    für Auge,
    Finger, Hand, Brot und für viele andere Begriffe, aus denen ersichtlich
    wird dass sie von 
    Lateinern stammen, die als Kolonisten zurückgelassen wurden“. 
     Die
        Latinität des Rumänischen wurde nicht nur von Sprechern einer
    romanischen    Sprache, wie es z. Beispiel die italienischen Humanisten waren,
    erkannt, sondern auch von
    nicht Romanen, die das Lateinische kannten.    Der schwedische Romanist Alf
    Lombard hat die interessante Reisebeschreibung eines    schwedischen Diplomaten
    veröffentlicht, der um die Mitte des XVII. Jh.,
    durch Siebenbürgen    und die Walachei reiste und dem die rumänische
    Sprache „ein Latein
    mit etwas verdorbenen    Akzent „ schien. (Les terres roumaines vues
    par un voyageur suédois
    en 1657, in ‘Revue desé
    tudes sud-est européennes XII 1974) : 
    « 
      Man gelangte sogleich zu den ersten Dörfer der Walachen, und zwar
      nach Rucar, dann
      gegen 15.30 nach Dragoslavele. Die Rumänen (Walachen) dieses Dorfes
      genau wie
      diejenigen des vorherigen Dorfes, das wir im Begriff waren zu durchqueren
      waren sehr      erstaunt über das Erschienen der Schwede; sie hatten
      so etwas noch nicht gesehen. Sie haben      festgestellt, dass diese Schweden
      junge Leute von hohem Wuchs waren. Aber alle Bewohner      dieser zwei
      Dörfer sprachen Lateinisch, sowohl die Männer wie die
      Frauen. Doch war ihre      Aussprache ein wenig korrompiert. Es waren die
      Nachkommen von alten und echten      römischen Kolonien. Alle waren
      derart glücklich, dass man es nicht
      beschreiben      kann. Sie haben uns gesagt, dass sie noch niemals das Glück
      hatten jemanden der sich in ihrer
      Muttersprache ausdrückte. Wir waren nicht weniger erstaunt Lateinisch
      zu hören, und das 
      gesprochen als Muttersprache dieser Leute. Wir hatten den Eindruck uns
      in der Mitte der alten 
      Römer zu befinden. Sie umgaben uns mit ihren Frauen und mit ihren
      Kindern und sie
      wünschten uns Erfolg und Wohlstand.» 
     Den
        Beweis für das sprachliche Bewusstsein der Zugehörigkeit des
        Rumänischen zur        Gruppe der romanischen Sprachen erbringt
        Andreas Müller,
        ein Philologe des XVII Jh. der
        zu den verschiedenen Fassungen des Vaterunsers auch die rumänische,
        unter dem Titel        valachia versio. hinzufügt. 
     Im
        XIX. Jh, in der ersten romanischen Grammatik von F. Diez,. steht das
        R. bereits 
        neben ihren anderen rom. Schwestern. 
        Steht nun die Latinität des Rumänischen unbestritten fest,
        so ist der Platz, den es im        Rahmen der Romania, den anderen Sprachen
        gegenüber einnimmt nicht völlig
          geklärt.        Allgemein anerkannt wird heute die besondere Individualität
          der rumänischen
          Sprache.        Bartoli, ein großer italienischer Linguist, hatte
          schon am Anfang des XX. Jh. über die        spiccata individualità della
          lingua romena geschrieben. Gleichzeitig ist, seiner Meinung nach,
        das Rumänische „die dem Lateinischen am meisten und zugleich
        am wenigsten treue aller
        romanischen Sprachen. 
     Doch
        jede romanische Sprache hat ihre eigene Individualität und Originalität,
            und die        schon im XIX. Jh. unternommenen Klassifizierungsversuche
            haben gezeigt, dass diese von
        der Zeitspanne auf die sie sich beziehen und von den Kriterien auf
            welche sie sich stützen        abhängen. Außerdem
            hat es sich herausgestellt, dass die Beziehungen der romanischen        Sprachen
            untereinander von einem Bereich der Sprache zum anderen verschieden
            ist. Hier
        nur zwei Beispiele: 
     Vom
        Standpunkt der Phonologie ist das Spanische dem R. am nächsten (B.
              Müller); 
        ausgehend von der Morphologie ist (nach Manczak) das Italienische
              die Sprache die dem 
        Rumänischen am ähnlichsten ist. Gesehen vom Standpunkt der Bereicherung
              des 
        Wortschatzes durch Lehngut, ist es weitaus die Sprache die die
              meisten Neologismen aus dem        Französischen entlehnt hat.  
     Auf
        Grund dieser und vieler anderen Vergleiche, die im Laufe der Zeit gemacht
        worden 
        sind, können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: 
     a)
        Das Rumänische ist reicher an Neuerungen- und konservativen Merkmalen
                  als die 
        anderen romanischen Sprachen (wie es schon Bartoli feststellte). 
        b)	Die rumänische Sprache ist mit allen anderen romanischen Sprachen
        verbunden und        zwar nicht nur durch allgemeinromanische Strukturen,
        sondern auch durch eine Reihe von        Merkmalen, die es nur mit einer
        oder zwei dieser Sprachen teilt. 
     Gestatten
        Sie dass ich an Hand von wenigen Beispielen den zweiten
                    Punkt der oben 
        Angeführten Schlussfolgerungen beleuchte. 
        Beginnen möchte ich mit Merkmalen, die das Rumänische. nur
        mit einem oder
        mit mehreren romanischen Idiomen teilt (2.1.), um dann auf
                    Wesenszüge
                    einzugehen, die        fälschlich nur dem Rumänischen zugeordnet wurden (2.2.) um abschließend über  
        Charakteristika zu sprechen, die man zu Unrecht einem externen
                    Einfluss zugeschrieben hat
        (2.3).      
    2.0.
          Merkmale die das Rumänische nur mit einem oder mit einigen anderen
      romanischen Idiomen teilt. 
     2.1.
      Portugiesisch, Spanisch, Katalanisch, Okzitanisch 
     Auf
        die Steigerung der Adjektive mit Hilfe von MAGIS (> port. mais,
          sp.mas, kat., okz. mes,  
        rom. mai) und nicht mit PLUS wie das Französische, das Rätoromanische,
          das Italienische und  
        das Sardische (rum. o carte mai buna ~ sp. un libro mas bueno) hat schon
          Bartoli als  
        auffallende Verbindung zwischen den ‚Seitenarealen’, mit
          anderen Worten zwischen dem  
        Rumänischen und den iberischen Sprachen, hingewiesen.      2.2.
          Französisch, Okzitanisch und Rätoromanisch  
         Nur
            das Französische, das Okzitanische und die rätoromanischen
        Dialekte besitzen wie das 
        Rumänische ein vereinfachtes binäres System der Demonstrativa
        nach dem Kriterium Nähe 
        und Entfernung: rum. acest ~ acel; surs. quest ~ quel, okz. aquest ~aquel,
        frz. ce-ci ~ ce-là. 
        In den anderen romanischen Sprachen sind die Demonstrativa in ein älteres
        lateinisches    Dreier- System eingeteilt (cf. sp. este, ese, aquel,
        sard. custu, cussu, cuddu) oder es existieren
    noch Reste des Dreiersystems wie im Italienischen: questo – codesto – quello,
    wobei im    zeitgenössischen Italienisch codesto fast nicht mehr benützt wird. 
     
    2.3. Italienisch, Dolomitenladinisch, Friaulisch und Dialekte der Italia
    Settentrionale 
         Die
            maskuline Pluralendung –i des Rumänischen und des Italienischen
      . wird als eines der 
      Hauptmerkmale der Ostromania gesehen. In restriktiver Distribution ist –i
      als maskuline 
      Pluralendung teilweise auch im Dolomitenladinischen und im Friaulischen
      gegeben (rum.      vitel ~ vitei; it. vitello ~ vitelli, friaul. vidiel ~ vidiei). 
       
      3.0. Merkmale, die fälschlich nur dem Rumänischen zugeordnet
      wurden 
         Sie
            wurden entweder durch fremden Einfluss erklärt oder als charakteristisch
        nur für das 
        Rumänische angesehen.       3.1.
              Die Palatalisierung der Konsonanten durch ein Auslautendes nicht
              sylbisches –i,
        so wie  
         beim
            Plural der maskulinen konsonantischen Stämme: un urs ~ doi ur?i,
        un vi?el ~doi vi?ei. 
        Dieses Merkmal wurde meistens dem slawischen Einfluss zugeordnet, doch
        diese Form des 
        rumänischen Plurals findet sich teilweise sowohl im Friaulischen und
        im  
        Dolomitenladinischen wieder.        3.2.
        Das Fehlen des bestimmten Artikels in den Präpositionalsyntagmen      (mit
        Ausnahme der durch die Präp. cu (und de-a) eingeleiteten Syntagmen Cartea sta pe
      masa ‚das Buch auf 
      Tisch’. ~ aber Le livre est sur la table ‚das Buch ist auf
      dem Tisch, so wie auch im Deutschen‚
      Das Buch liegt auf dem Tisch’) Es handelt sich um eine Eigenheit
      der Anfangsphase aller 
      romanischen Sprachen, denn der Artikel wurde sehr spät in Präpositionalsyntagmen
      eingeführt. Einige wenige romanische Sprachen wie das Rumänische
      und auch das 
      Bündnerromanische haben dieses altertümliche Merkmal beibehalten
      (cf. Iliescu, 2001a, 
      2001b): rum. a merge la vânatoare = eng. ir a catscha, aber aller à la
      chasse. 
    3.3.
      Italienische südliche und nord-östliche Dialekte, Dolomitenladinisch 
     Die
        Stammerweiterung gewisser Verben der A- Konjugation mit Hilfe des Suffixes
      -ez- <  
      IDIO < gr. –IZO : a lucra – lucrez ist auch in süd-ost-italienischen
    Dialekten, im Alt-  
    venezianischen sowie im Istroromanischen und Dolomitenladinischen zu finden
    (cf. 
    Lausberg 1972, II, 201; Rohlfs, 1968, II, § 326; Iliescu-Mourin, 1991,
    457): z. B.: rum. 
    lucr-eaz-a, gard. arpi-ei-a, a.ven. vende-ge-a. Es geht wie auch bei dem
    Erweiterungssuffix  
    der IV.Konj. -esc/-isc um die Vermeidung der Unregelmäßigkeiten
    des Stammvokals, die  
    durch den Akzentwechsel verursacht werden. Die Erweiterung mit –IDIO
    war anfangs  
    wahrscheinlich panromanisch und semantischer Natur. Das Suffix drückte
    eine  
    Wiederholung, das Iterativ, aus wie noch heute im Französischen und Spanischen.
    Mit der  
    Zeit hat sich dann eine nicht semantische, rein nach Vereinfachung und Regelmäßigkeit  
    strebende Variante im nord-östlichen Teil der Romania herausgebildet.       
        3.4. Die Bildung des analytischen Futurs mit Hilfe des Modalverbs
        a vrea < VOLERE.
      (cf. infra 
      2.2.8.3.). Das Sardische benützt ebenfalls ein Modalverb, und. zwar ‚müssen’.      Im Altsurselvischen wurde das Futur wie noch heute im Rumänischen
      mit Hilfe des Verbs 
      VOLO gebildet. (cf. Mourin 1964, 247). Und das Sardische benützt zwar
      nicht VOLERE, doch 
      ein anderes Modalverb: (DEBERE): deppo cantare. Von Anhängern des
      Balkanischen 
      Sprachbundes wird die Bildung des Futurs mit dem Hilfszeitwort VOLERE als
      eines der 
      wichtigen Merkmale der Zugehörigkeit des Rumänischen zu diesem
      Bund gesehen (cf. Solta,  
      1998, 1027).      Meiner Meinung nach ist die Bildung des Futurs mit einem Modalhilfszeitwort
      nicht 
      sprachtypologisch, sondern kognitiv zu erklären, da man das Futur
      nur verwendet, wenn man 
      etwas tun will oder tun muss. (S. dazu die Bildung des englischen Futurs
      mit will ’wollen’      und shall ‚sollen’). 
    3.5.
        Das teilweise Bewahren der synthetischen Nominalflexion wird als ein
        Charakteristikum
      des R. betrachtet. Man übersieht dabei die sehr alte Bildung des Genitivs
      und des Dativs mit 
      Hilfe der Präpositionen AD und DE, die bis heute besonders in der
      gesprochenen Sprache 
      Gang und Gebe sind : am adus ciocolata la copii.      Außerdem wurde und wird noch die Homonymie zwischen Genitiv und Dativ
  als 
  griechischer Einfluss betrachtet, obwohl die letzten Forschungen gezeigt haben,
  dass es sich 
  um die gleiche Entwicklung wie im Altfranzösischen handelt. 
     
        4.00 Da man viel über den quantitativen Aspekt der lateinischen Elemente
      gesprochen hat, bis      man, noch zu Zeiten von dem Gelehrten Hasdeu,
      die Erklärung
      durch das Prinzip der
  Frequenz, mit anderen Worten, durch den Unterschied zwischen der Wörtern
  des 
  Kernwortschatzes und die des allgemeinen ganzen Wortschatzes, gefunden hat,
  möchte ich 
  Ihnen zum Abschluss meines Vortrages ein Gedicht von Eminescu aufsagen. 
     Aici
      La steaua 
     Ich
        möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es im ganzen Gedicht 72
      Wörter  lateinischen Ursprungs und nur 4 slawische Wörter gibt (a
      trebui, a zari, drum und icoana).  Die letzen zwei (drum und icoana) sind zwar über das Slawische ins Rumänische
      gelangt, 
      waren aber griechischen Ursprungs schon im Slawischen.      
    5.00 Gestatten
        Sie, dass ich meinen aus Zeitgründen kurzen und allgemeineren
      Vortrag mit 
      einer Schlussfolgerung meines Meisters Alexandru Graur abschließe:« 
  Avant de discuter les détails qui rapprochent le roumain du slave ou
  de langues  
  balkaniques,il faut souligner avec force qu’il est, et qu’il reste
  une langue romane » 
    Berlin, 4 noembrie 2009.  
      
     
  2.4. Rumänisch eine Kompromisssprache (cf. Iliescu, 2004) 
  Ich verstehe hier unter ‚Kompromiss’ die gleichzeitige Präsenz
      von Merkmalen, die zwei verschiedene romanische Sprachen oder Sprachgruppen
      charakterisieren. 
      Ich begnüge mich mit drei Beispielen aus Phonetik, Morphologie und
      Syntax. 
      3.1. Die meisten romanischen Sprachen haben ein Vokalsystem, das als lateinischen
      Ausgangspunkt ein Dreieck mit zwei symmetrischen Seiten bildet: eine Seite
      mit drei palatalen Lauten (ein offenes e, ein geschlossenes ? und ein i)
      und eine Seite mit velaren Lauten (ein offenes o, ein geschlossenes ? und
      u). Das Vokalsystem des Sardischen beinhaltet nur fünf Vokale, mit
      neurtralem Öffnungsgrad: i, e, a, o, u. 
      Das Rumänische Vokalsystem vereinigt beide oben angeführten Systeme:
      die palatale Seite des Dreiecks richtet sich, mit 3 Vokalen ([e], [?],
      und. [i] nach dem ersten System, die velare Seite richtet sich nach dem
      zweiten System und verfügt hiermit über nur 2 Vokale: [o] und
      [u]:PORCUS > porc, NEPOTE > nepot, FURCA > furca, LUNA > luna.  
      Der süditalienischen Dialekt der Basilicata (Südlukanien) verfügt über
      ein ähnliches Vokalsystem wie das Rumänische. 
     3.2.
        Die Sequenz Verschlusslaut + Liquid bleibt in Französischen überall
      erhalten. Im Italienischen wird der Liquid überall zu [i] palatalisiert:
      PLINU > fr. plein, it. pieno aber CLAVE > fr. clef, it. chiave; rum.
      cheie. Das Rumänischen geht teilweise mit dem Französischen,
      teilweise mit dem Italienischen. Und zwar bleibt der Verschlusslaut der
      Gruppe PL erhalten wie im Französichen, doch der Verschlusslaut der
      Gruppe CL wird palatalisiert wie im Italienischen: PLINU > plin, aber
      CLAVE > cheie. 
    3.3. Die
        Stellung der Possessivadjektiven kann vor oder nach dem Substantiv stehen.
        Im Französichen und im Spanischen steht der Determinant obligatorisch
      vor dem Substantiv mon livre, mi libro. Im Italiensichen steht das Possessivadjektiv,
      wenn nicht markiert vor ( il mio libro, markiert aber auch nach dem Substantiv:
      il libro mio. Auch im Rumänischen ist die doppelte Möglichkeit
      gegeben: cartea mea/ a mea carte. Hier ist die zweite Form markiert. 
      Die Bemerkung von P. Ramat, dass das Rumänische. nur die nachgestellte
      Form kennt, ist zu berichtigen (Ramat 1990 I, 20) und somit auch die typologische
      Zuordnung des Rumänischen zu den Randsprachen. Wie in anderen Fällen
      hat das Rumänische beide lateinischen Varianten beibehalten und das
      wahrscheinlich, weil - im Unterschied zu den anderen romanischen Sprachen
      - kein prestigeträchtiges Modell zur Zeit der Herausbildung der neuen
      Sprache zur Verfügung stand. 
    3.4. Zieht
        man nicht nur die varietätenlinguistische, sondern auch
      die diachronische Perspektive in Betracht, mehren sich die Beispiele des
      verschiedenartigen Kompromisses. 
    3.4.1.
        So sind in den Texten des XVI. Jh.s Beispiele für eine synthetische
      und eine analytische Entwicklung des Konditionals zu finden: cântare < CANTAVERIM/CANTAVERO
      und asu cânta 
      (cf. Rosetti 1986, 506-507). Die erste Form beruht auf dem lateinischen
      Modell und hat sich weiter im Mazedo- und Istrorumänischen erhalten,
      die zweite ist höchst wahrscheinlich durch den slawischen‚ (Prestige-)Einfluss
      zu erklären. Mit anderen Worten, man hat die synthetische Form der
      gemeinsamen romanischen Entwicklung zu verdanken, während die analytische
      dem slawischen Modell folgt. Eine Zeit lang, bevor die analytische Form
      von der Norm adaptiert wurde, haben beide Varianten nebeneinander funktioniert. 
    3.4.2. Ähnlich ist die Lage im Fall des Plus-quam-Perfekts: im XVI.
      Jh. gab es mehrere analytische Varianten (cf. Dimitrescu et alii 1978,
      312-313), die in den historischen Dialekten erhalten geblieben sind. Das
      moderne Rumänisch hingegen kennt nur die synthetische Form, die aber
      nicht durch ein slawisches Modell erklärt werden kann. 
    4.0. Versucht
        man nun abschließend den Grund der wenigen hier angeführten
      transversalen Übereinstimmungen und Verbindungen des Rumänischen
      mit den anderen romanischen Idiomen zu erklären, kommt man zu folgenden
      Schlussfolgerungen. 
    4.1. Das
        konservative Erhalten lateinischer (2.2.6.1. s. impurum), spätlateinischer
      (2.3.2. die Endung -ora; 2.2.7.1.2 die negativen Imperativformen mit dem
      Infinitiv) oder frühromanischer Merkmale (2.3.1. das Fehlen des Artikels
      im Präpositionalsyntagmen) muss als einer der Gründe der transversalen Ähnlichkeiten,
      angesehen werden. In mehreren Fällen bildet das Rumänische eine
      diatopische Gruppe mit dem Italienischen und teilweise mit dem Rätoromanischen. 
    4.2. Ein
        wichtiger Faktor scheint die Wahl ein und derselben spätlateinischen
      Varietät der sich allmählich herausbildenden romanischen Sprachen
      zu sein. Das betrifft einerseits das Altfranzösische, teilweise das
      Bündnerromanische und das Rumänische, die sich durch ein binäres
      Demonstrativsystem (2.2.5.) und die Grammatikalisierung des Dativus adnominalis
      (2.2.7.1.1.) charakterisieren, andererseits das Dolomitenladinische, einige
      norditalienische Dialekte so wie auch das Rumänische, Idiome die das
      Erweiterungssuffix –izo (2.3.5.) in der I. Konjugation aufweisen.
      Es zeichnet sich somit zu Beginn der Entwicklung der romanischen Sprachen
      eine ‚kontinentale Nordzone’ von den Pyrenäen bis Dakien
      (Galloromania, Bündnerromanisch, teilweise oberitalienische Dialekte,
      die dolomitenladinische und friaulische Zone, Dakien ) ab, die sich von
      einer südlichen Zone (Iberien, Sardinien, Mittel- und Süditalien)
      unterscheidet.  
    4.3. Ein
        Teil der Ähnlichkeiten lässt sich durch parallele Entwicklungen
      romanischer Strukturen erklären. Dies ist insbesondere der Fall bei
      den angeführten Ähnlichkeiten des Rumänischen mit den iberischen
      Sprachen (2.2.1.1. s. die Entwicklung der phonologischen Opposition [a]~[a]
      im Portugiesischen).  
     4.4.
        Dazu kommen noch Beispiele von kognitiven, sehr allgemeinen Gründen,
      die eine Ähnlichkeit bewirken können, (wie z.B. 2.2.4.2. das
      Futur mit einem modalen Hilfszeitwort) 
    4.5. Weniger
        wichtig scheinen mir Übereinstimmungen, die, ausgehend
      von spätlateinischen Gegebenheiten, dasselbe lexikalische Material
      benützen, um gewisse Funktionen auszudrücken. In diesem Fall
      scheint die ‚unsichtbaren Hand’ der ausschlaggebende Faktor
      gewesen zu sein (2.2.3. Komparativ mit MAGIS). 
    4.6. Ein
        Fragezeichen steht im Fall von gleichen phonetischen Entwicklungen von
        Idiomen, die geographisch weit entlegen sind, wie z. B. die labiale
      Entwicklung der Konsonanten mit labiovelarem Appendix im Rumänischen
      und Sardischen (2.2.5.1) oder die Neutralisierung und Erhaltung von distinktiven
      Oppositionen, wie im Fall der Erhaltung der Dativformen des Personalpronomens.
      Es handelt sich wahrscheinlich um gewisse Tendenzen, die wie im ersten
      Fall zur Labialität führen oder wie im zweiten Fall der Vermeidung
      von Polysemien dienen, was wiederum die Erhaltung von formalen lateinischen
      Oppositionen fördert. Weitere Forschungen sind in diesen Fällen
      notwendig. 
    2.2.7.1.Rumänisch und Altfranzösisch 
  2.2.7.1.1. Das Altfranzösische steht dem Rumänischen besonders
      nahe, wenn man die Entwicklung der Deklination, insbesondere die Herausarbeitung
      des possessiven Genitivattributs berücksichtigt, die in beiden Idiomen
      vom lateinischen dativus adnominalis (filius regi) ausgegangen ist. Der
      dativus adnominalis ist durch die verschiedenen Veränderungen des
      klassischen lateinischen Deklinationssystems sowie durch kognitive Gründe
      - die semantische Nähe der Begriffe Attribution (Zuordnung) ’jemandem
      etwas geben’ und Besitz ‚jemandem gehören’ - zu
      erklären. Die altfranzösischen Formen filz le roi, li filz le
      roi, li filz au roi und die rumänischen fiu regelui, fiul regelui,
      fiu al regelui, gehören ohne Zweifel derselben Entwicklung an. (Für
      eine ausführliche Beschreibung dieser Entwicklung cf. Iliescu 2006
      im Druck). 
    2.2.7.1.2.
        Die Tatsache, dass das Altfranzösische und das Altprovenzalische
      dieselben Imperativformen wie die Sprachen unter 2.3.7.3. aufweisen, untermauert
      Lausbergs Annahme, dass es sich um spätlateinische oder frühromanische
      Formen oder besser gesagt Varietäten handelt. 
     
        Bibliographie: 
    Alonso,
        Amado, Estudios lingüisticos. Temas españoles, Madrid,
      Gredos, 1954. 
      Alonso, Amado, Estudios linguisticos. Temas espanoles, Madrid, Gredos,
      1961, 
      Avram. Andrei, ‘Parallèles phonétiques et phonologiques
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